FLIEGENFISCHEN IM WINTER

Hero Story von Thomas

Hi, ich bin Thomas - leidenschaftlicher Fliegenfischer aus Dingolfing in Oberbayern.

Als Fliegenfischer-Guide bin ich es eher gewohnt mit meinen Gästen im Frühjahr, Sommer oder Herbst loszuziehen. Für viele ist das Fliegenfischen auch mit warmen Temperaturen verbunden. Umso mehr freut es mich aber, dass ich auch regelmäßig Anfragen für Guidings im Winter bekomme. Ganz einfach deswegen, weil es für mich persönlich nicht ausschließlich um den gefangenen Fisch, sondern die ganze Stimmung geht – es geht um den Genuss eines ganzheitlichen Erlebnisses. Und da ist der Winter eine wahrlich magische Zeit zum Fliegenfischen.

Ende November meldete sich Kristijonas bei mir. Er stammt aus Litauen und wollte ein
2-Tagesguiding im Winter buchen.

Gesagt getan - ein Termin war frei und so
verabredeten wir uns für Januar im südöstlichen Österreich.

Im Zwiespalt mit der Sonne

Der Januar war gekommen und Kristijonas im Anflug auf Österreich. Wenn ich einen Winter-Fisch-Trip plane, dann habe ich natürlich den Wetterbericht im Auge. Temperaturen unter Null Grad garantieren eine niederschlagsfreie Zeit und somit
konstante Wasserpegel. Ein verschneiter Tag am Wasser hat etwas absolut magisches, ist aber für den inneren Schweinehund ungleich schwerer zu verkraften als ein strahlend blauer Himmel mit wärmender Sonne am Horizont. Eines muss man aber wissen: Bei bewölktem Wetter sind die Fische weniger schreckhaft und fühlen sich sicherer als bei strahlendem Sonnenschein.

Was möchte man also?
Einen wunderschönen warmen Wintertag an dem die Fische zickig sind, oder einen
kalten, bewölkten Tag mit beissfreudigeren Fischen. Diese Frage ist nicht zu beantworten. Sie hängt davon ab, wie weit man willens ist, sich von den Kräften der Natur und der eigenen Leidensfähigkeit faszinieren zu lassen.

Wo stecken die ganzen Fische?

Nach einem guten Frühstück gings direkt ab ans Wasser. Lufttemperatur -8°C und Wassertemperatur um die 0°C. Dass das Wasser hier nicht gefriert, liegt einzig und allein daran, dass es in Bewegung bleibt. Als Guide kennt man seine Flüsse, jedoch waren die Fische an diesem Tag nicht an den Plätzen, an denen ich sie vermutete. Und da wird es im Winter schon mal eng, denn Sonnenlicht ist Mangelware und die Tage kurz. Aber wenn es mal gar nicht läuft, dann heißt es für mich und meine Gäste einen Gang zurückschalten und eine Pause machen.

"Ein heißer Espresso, frisch gebrüht am Wasser kommt da gerade herrlich recht, schafft Ablenkung vom Versagen und liefert neue Energie und neuen Antrieb."

Auf dem Weg zu einem anderen Spot überquerten wir über eine Brücke - was macht man als Angler auf einer Brücke? Man schaut ins Wasser - und was wir dort sahen, schaute vielversprechend aus. Eine schöne Äsche um die 50cm an einer nicht ganz einfachen Stelle, aber aktiv auf Nahrungssuche.

Kristijonas stürmte wie eine Bergziege den Hang hinunter ins Wasser. Ich blieb auf der Brücke und dirigierte. Nach ein paar Würfen positionierte Kristijonas die Fliege perfekt in der Futterspur. Die Äsche lies die Fliege an
sich vorbeitreiben, kehrte um und langte zu. Der Fisch war am Haken, aber eben nicht in letzter Konsequenz. Nach einigen Sekunden im Drill löste sich der Fisch plötzlich und es bewahrheitete sich in diesem Fall wieder der Mythos: Brückenfische fängt man nicht!

Jäger im anderen Element

Wir gingen ein paar hundert Meter den Fluss hinunter und da sah ich plötzlich aus dem
Augenwinkel, an einer ganz unscheinbaren Stelle, einen Fisch von der Wasseroberfläche fressen. Der Fisch stand an einer ungünstigen Stelle, zumindest für uns. Er war genau an der Kante zwischen einer schnellen Strömung und Wasser, das fast stillstand. Man muss hier präzise, zentimetergenau werfen können und nach einem relativ erfolglosen, eiskalten Tag am Wasser auch die Konzentration und Motivation dafür aufbringen können. Aber genau darum geht es doch, in diesem einen Moment schlauer zu sein als der Fisch und ihn, in seinem ureigenen Element zu überlisten. In diesem Moment sind wir „Jäger im anderen Element“. Kristijonas war gut in Form und konnte nach einigen Anläufen die Fliege präzise platzieren und zack, der Fisch war am Haken und kurz danach auch im Netz. Zwar nur eine kleine Äsche, aber in diesem Moment der tollste Fang des Lebens. Wenn man es schafft diese Momente zu genießen, dann versteht man was es heißt Fliegenfischer zu sein.

Wir beschlossen, dass der erste Fisch des Tages zugleich der letzte des Tages sein sollte und stapften, behangen mit Eisbrocken an den Füßen, zurück zum Auto und danach in unsere Unterkunft.

Nicht schon wieder

Der zweite Tag startete genauso kalt wie der erste Tag, sollte jedoch in unserer Wunschvorstellung fischreicher werden. Wir bahnten uns unseren Weg durch einen halben Meter Schnee ans Wasser - Keine menschlichen Spuren zu sehen, nur das Knirschen des Schnees und die stechende Kälte teilen den Moment mit uns.

Wir steigen ins Wasser. Normalerweise macht man das so leise wie möglich, höchstens mit einem kleinen Plätschern. Hier war es anders. Um ins Wasser zu steigen, mussten wir erst eine 5cm dicke Eisschicht durchbrechen. Das ist nicht oft an der Tagesordnung und macht schon ein wenig Lärm, eben auch unter Wasser. Wir wateten durch den Fluss, hin auf eine kleine Insel. Ein Hotspot für Fische, wie ich aus vielen Tagen an diesem Gewässer weiß. Und tatsächlich konnte wir relativ schnell 2 Äschen im lachen Wasser ausmachen. Sie bewegten sich hin und her und waren auf der Suche nach Nahrung. Nach ein paar erfolglosen Würfen Fliegenwechsel und nach etlichen Würfen wieder Fliegenwechsel.

Das ging eine Zeit so, bis wir nach gut 50 Würfen sagten: Ok, sie wollen unsere Fliegen einfach nicht. Es kann doch nicht sein, dass der zweite Tag so anfängt, wie der erste Tag endete.

Der Code ist geknackt

Aber 50 Meter flussab war die nächste gute Stelle und die sollte liefern!
Nach einigen Würfen hatte Kristijonas rund 5 Äschen landen können und ich wurde
durchaus ein wenig entspannter. Sicher, es geht nicht nur ums Fische fangen, aber als
Guide ist einem doch viel wohler, wenn der Gast mehr als einen Fisch am Tag fängt.
Obwohl dieser Spot komplett im Schatten lag und obwohl wir nasse Hände hatten,
haben es diese paar Fische geschafft unsere Stimmung zu erwärmen.


Die Wärme reichte uns aber nicht ganz und so gab es mittags herzhafte Sandwiches
direkt am Wasser. Die Kulinarik ist für mich ein wichtiger Teil bei meinen Guidings. Denn
erstens ist es für den Kopf ganz wichtig auch mal eine Pause zu haben und zweitens ist
es für viele das erste Mal im Leben, dass sie in freier Natur eine Kleinigkeit kochen.

"Für mich ist das ein großer Teil eines Angel-Guidings und macht es zu etwas
Besonderem."

Eiskalte Belohnung

Wir gingen noch einige hundert Meter den Fluss hinab, denn ich kannte dort ein paar gute Stellen. Aber wieder wie am ersten Tag, an den üblichen Stellen, keine Spur von den Fischen. Die ablaufende Tageszeit wurde langsam aber sicher wieder zu unserem Feind. Ich wusste, dass weiter unten am Fluss immer Fische waren, aber ich wusste auch dass das Wasser dort viel tiefer ist als hier. Das ist im Winter keine sonderlich feine Sache.

Aber es hilft ja nix. Wir wateten flussab und ich spürte, wie das eisige Wasser mit jedem Schritt tiefer wurde und das wärmende Luftpolster in unseren Wathosen vom Wasserdruck herausgepresst wird. Mit jeder Minute im Eiswasser wird dir Stück für Stück Lebensenergie entzogen und Du kühlst nach und nach mehr aus, deine Muskeln werden kalt, hart und verkrampfen schneller.

Ich würde nicht sagen, dass ich das als sonderlich angenehm empfinde, aber in diesen Momenten spürt man die Natur und
seinen Körper in einer ganz besonderen Art und Weise.

Am Spot angekommen konnte ich einen kleinen Bereich von ca. 2 Meter Breite
ausmachen, wo ich dachte, das wäre ein guter Platz für einen Fisch. Da waren sie! Jeder zweite Wurf war ein Fisch. Kristijonas war zufrieden, ich war zufrieden- zwei tolle Tage am Wasser liegen hinter uns.

Auf dem Friedhof steigen die Forellen nicht

Warum tut man sich das Fliegenfischen im Winter an?


Erlebnisse, die nicht unter Laborbedingungen stattfinden, brennen sich einfach mehr in unsere Erinnerung ein. Es ist Kälte, Verzweiflung, Hoffnung und Glück, dass man miteinander teilt.

Hier müsste man eigentlich sagen: Geteiltes „Leid“ ist doppeltes Glück.

Ich für mich würde immer sagen, dass mich ein eiskalter Tag im Fluss, mit wenig Fisch, glücklicher macht, als ein Tag auf der warmen Couch vor dem Fernseher. Wenn sich ein Abenteuer bietet und das kann auch ein kleines Abenteuer sein, stürzt euch rein, lasst euch drauf ein und genießt es.

Wir werden alle älter und die Bereitschaft
sich auf ein Abenteuer einzulassen wird weniger werden.

"Also geht jetzt raus und spürt
die Natur, euren Körper, das Leben und genießet es! "